05.10.2016 | Kathpress
Österreichisch-slowakischer Regionalkongress stellt alternative Modelle vor - Sozialexperte Blümel: Nahrungsproduktion nicht profitorientierten Konzernen überlassen
Ansätze für solidarisch organisierte Nahrungsmittelproduktion standen im Fokus eines gemeinsamen Kongresses, den die "Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreichs" (KABÖ) kürzlich gemeinsam mit ihrer slowakischen Partnerorganisation KAP in Bratislava veranstaltet hat. Die Macht der Konzerne werde durch die Bayer-Monsanto-Fusion sowie durch Abkommen wie TTIP und CETA weiter gestärkt, legte Markus Blümel von der Katholischen Sozialakademie Österreichs dar. Als Alternative dieser Entwicklung biete sich die solidarische Landwirtschaft, auch CSA ("community supported agriculture") genannt, an.
"Nahrung ist mehr als eine Ware, denn sie ist für alle lebensnotwendig, und niemand kann sich hier ausklinken. Die Produktion darf man nicht den Konzernen überlassen, die sich am Profitstreben statt an der Bedarfsdeckung orientieren", so Blümels Überzeugung. Allerdings würden heute vier größten Agrarhandels-Konzerne - Archer Daniels Midland (ADM), Bunge, Cargill und Louis Dreyfus - schon geschätzte 90 Prozent des grenzüberschreitenden Getreidehandels kontrollieren. Die Macht der Konzerne reiche über die ganze Wertschöpfungskette, vom Saatgut über die Verarbeitung bis zum Verbraucher.
Mit der aktuellen Handelsstruktur eng verbunden seien zahlreiche Probleme, vor denen auch die Papst-Enzyklika "Laudato si'" und die Katholischen Soziallehre warnen: Blümel nannte hier menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Gentechnik, Klimawandel, schwindende Vielfalt sowie das Phänomen des "Land Grabbings"; letzteres geschehe etwa durch den Anbau von Soja, Zuckerrohr und Palmöl, den sogenannten "flex crops": Hier werde zuerst angebaut, ehe der Marktpreis entscheidet, ob die geernteten Produkte als Ernährung oder als Biotreibstoff verwendet werden. Beim "Green grabbing" werden hingegen Flächen zur Wiederaufforstung angekauft und sind damit für den Anbau nicht mehr verfügbar.
Blümel wies auf die solidarische Landwirtschaft (CSA), bei der "Ernteteiler" oder "Prosumenten" die Bindung von Preis und Produkt aufheben, indem sie schon im Voraus einen Anteil der Jahreskosten als Geld oder Arbeitsleistung zahlen; die Erzeuger haben somit ein fixes Einkommen und kein Ernterisiko. Die Ernte wird geteilt, wobei es nicht um Kaufkraft, sondern Bedürfnisbefriedigung geht: "Jeder muss essen können und nimmt, was er braucht. Gibt es wenige Produkte, stimmen sich die Menschen untereinander ab", verdeutlichte Blümel. In Japan würden sich bereits 25 Prozent der Bevölkerung an CSA-Produktion - dort unter der Bezeichnung "Teikei" - beteiligen.
Die erste österreichische Umsetzung von CSA ist das Projekt "Gela Ochsenherz" in Gänserndorf bei Wien. Knapp 300 Ernteteiler sind derzeit Mitglieder; Vergleiche mit dem Markt oder anderen Konzepten seien hier nicht möglich, da die Produkte nicht verkauft werden und somit keinem Preis unterliegen, so Blümel. Als Problem habe sich hier im Vorfeld die lange Suche nach einem Pachtgrund aufgrund der hohen Bodenpreise gezeigt. "Land grabbing ist auch in Österreich ein Thema", so der Experte von der Katholischen Sozialakademie.
Bratislava, 5.10.2016 (KAP)
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