29.6.2016 | Presseaussendung
Gemeinsamer Vorstoß von Arbeiterkammer (AK), Plattform für Alleinerziehende (ÖPA), Katholischer Frauenbewegung (kfbö) und Katholischer ArbeitnehmerInnen-Bewegung (KABÖ)
Reformen bei der Ferienregelung für Schulen und weniger Schließtage in den Kindergärten sowie den flächendeckenden Ausbau ganzjähriger, kostengünstiger Betreuungsangebote in Österreich fordern die AK Wien, die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA), Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) sowie Katholische ArbeitnehmerInnen-Bewegung Österreichs (KABÖ). Für Alleinerziehende, aber auch für Familien mit zwei Elternteilen wird es zunehmend schwierig, den Betreuungsbedarf der Kinder in den Ferien angemessen zu decken. Dafür sind einerseits regional oft nur mangelhaft vorhandene oder zu teure Betreuungsangebote verantwortlich, aber auch Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Sinkende Reallöhne, steigende Arbeitslosigkeit und Prekarisierung führen dazu, dass viele Eltern sich keine kostenpflichtigen Betreuungsangebote leisten können. Es braucht daher öffentliche Angebote der Schulen und Kindergärten auch in den Ferienzeiten. Bildungspsychologische Erkenntnisse legten es überdies nahe, für eine Kürzung der Sommerpause in Schulen und eine bessere Verteilung der Ferien über das gesamt Jahr hinweg einzutreten, so die Organisationen.
Insbesondere im ländlichen Raum mangele es nach wie vor an Betreuungsangeboten, erklärt Gabriele Fischer, Vorsitzende der ÖPA. „Wir haben Regionen in Tirol, etwa in Osttirol, da gibt es eine starke Abwanderung insbesondere von Frauen, weil es einfach nicht möglich ist, Erwerbsarbeit und Betreuung zu vereinbaren. Ich möchte hier den Ball an die Gemeinden spielen“, so Fischer. Vielerorts herrsche immer noch ein tradiertes Familienbild, das die gesellschaftlichen Realitäten nicht berücksichtige. Fischer verweist auf die „win-win-Situation“, würden Gemeinden ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge nachkommen und in Betreuung investieren: „Das stoppt die Landflucht, und es sichert den Frauen eine Pension.“
Eine ÖPA-Umfrage aus dem Jahr 2013 zeigt, dass nur 18 Prozent der Befragten die Betreuung in den Sommerferien über öffentlichen Angebote und nur 13 Prozent mithilfe des zweiten Elternteils abdecken. „Nicht alle Alleinerziehende haben die Möglichkeit, auf einen Partner oder Familie zurückzugreifen“, gibt Fischer zu bedenken.
Ferienschließzeiten: Nicht mehr als fünf Wochen
Bei den Ferienschließzeiten gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Bundesländern. „In Wien haben die Kindergärten im Schnitt nur 2,6 Tage im Jahr geschlossen“, erklärt Sybille Pirklbauer von der Arbeiterkammer Wien, „in allen anderen Bundesländern haben sie mehr als fünf Wochen geschlossen, also länger als der Urlaubsanspruch von ArbeitnehmerInnen dauert“. So müssen Eltern im Burgendland, Kärnten und Salzburg 8 bis 9 Tage zusätzlich zum eigenen Urlaub überbrücken, in Tirol sind es 19 Tage und in Vorarlberg sogar 29 Tage. „Die Schließtage der Kindergärten müssten dringend gesenkt werden, mehr als fünf Wochen im Jahr darf keine Einrichtung geschlossen sein“, so Pirklbauer.
Teure Kursangebote für SchülerInnen
Bei den Schulpflichtigen ist das Unverhältnis von Urlaubsanspruch der Eltern und Feriendauer der Kinder noch krasser. Auf mehr als 14 freie Wochen im Jahr kommen Schulkinder in Österreich, der lange Sommer mit 9 Wochen ist für viele Eltern eine Katastrophe: „Ein eigener Wirtschaftszweig hat sich auf diesem Feld des akuten Betreuungsbedarfs etabliert, Kurse und Ferienangebote privater oder institutioneller Anbieter sind aber kaum unter 180 Euro pro Woche und Kind zu haben,“ so die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Veronika Pernsteiner. Umfassten Angebote auch Übernachtung, seien wöchentliche Kosten in Höhe von 300 bis 400 Euro schnell erreicht.
Leistbare Betreuungsangebote als Investition im Kampf gegen Armut
„Für Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern ist das schlichtweg nicht leistbar“, erklärt Pernsteiner. Wie die neue Umverteilungsstudie des WIFO zeigt, hat das ärmste Drittel der Haushalte zwischen 2000 und 2010 Einkommensverluste erlitten, die auch durch den Sozialstaat nicht zur Gänze aufgefangen werden konnten. 19 Prozent der Bevölkerung sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, ein Viertel der Armutsbetroffenen sind Kinder. Alleinerziehende und Familien mit drei oder mehr Kindern zählen zu den am stärksten von Armut Betroffenen. Hier erweisen sich Investitionen in Dienstleistungen, die im Alltag unterstützen - so etwa leistbare, ganzjährige Kinderbetreuungsangebote – als besonders hilfreich.
Erwerbseinkommen sichern
KABÖ-Vorsitzender Philipp Kuhlmann fordert vor allem eine gerechte Verteilung von Erwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern, etwa über Arbeitszeitverkürzung, um ein existenzsicherndes Einkommen aller zu erreichen. Immer mehr Menschen sind atypisch beschäftigt, die Zahl der geringfügig Beschäftigten hat sich etwa zwischen 1998 und 2015 verdoppelt. Kuhlmann: „Für diese Beschäftigtengruppen sind schon niedrige Betreuungskosten ein Problem.“
Verteilung reformieren
Reformbedürftig sei aber auch die Verteilung der Ferienzeiten, insbesondere bei Schulkindern: „BildungspsychologInnen plädieren schon lange dafür, die Ferienwochen über das Jahr besser zu streuen, so etwa die 9 Wochen Sommerferien auf Sommer und Herbst zu verteilen“, so Veronika Pernsteiner (kfbö): „Zwischen September und Weihnachten fehlt es einfach an Erholungszeit, vor allem für ältere SchülerInnen mit hoher wöchentlicher Stundenzahl.“ ÖPA-Vorsitzende Gabriele Fischer regt zudem an, das Konzept der schulautonomen Tage zu überdenken: „Bei mehreren Kindern und unterschiedlichen Schulen kann das den Betreuungsbedarf empfindlich steigern“.
Wien, 29.6.2016
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