Im Februar 2024 jähren sich zum 90. Mal die bewaffneten Kämpfe in österreichischen Industrieorten, in denen sich die im Schutzbund organisierten Arbeiter:innen gegen das autoritäre Regime unter Engelbert Dollfuß stellten. Bereits ein Jahr davor war das Parlament aufgelöst und die demokratische Regierung durch das austrofaschistische System ersetzt worden. Alle sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen wurden in Folge aufgelöst und verboten.
Katholische Kirche spielte wesentliche Rolle
Die damalige Kirchenführung spielte dabei eine wesentliche Rolle. Sie stellte sich bereits Jahre zuvor mit Prälat Ignaz Seipl als Bundeskanzler massiv gegen die demokratische Gestaltungsmacht der Sozialdemokratie und forderte dann 1934 volle Härte gegen den Widerstand, deren Kämpfer:innen. Der historische Konflikt mit seinen Opfern und dramatischen Folgen hatte massive Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Sozialdemokratie. Schon 1931 stellte Papst Pius XI. in seiner Enzyklika Quadragesimo anno (120) fest: Religiöser Sozialismus, christlicher Sozialismus sind Widersprüche in sich; es ist unmöglich gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Sozialist zu sein. Es war ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich damals schon für eine Versöhnung einsetzten. Dies alles wurde von Seiten der Kirche kaum aufgearbeitet, Misstrauen und Ablehnung sind bis heute spürbar. Allen Bemühungen zur Aussöhnung zwischen Kirche und Sozialdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg zum Trotz wirft 1934 bis heute seine Schatten.
Als Teil der österreichischen römisch-katholischen Kirche sind wir, die Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich, uns der Verantwortung bewusst, die unsere Kirche an den damaligen Ereignissen hatte. Wir treten dafür ein, die Ereignisse der Zeit zwischen den Weltkriegen durch eine unabhängige Gruppe von Expert:innen aufzuarbeiten. Dazu gehört auch die Rolle von Persönlichkeiten wie Ignaz Seipel, Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg.
Bedrohungen heute widerstehen
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die katholische Kirche in Österreich emanzipatorischen und liberalen Bewegungen heute begegnet, ob sie im Sinne der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils deren Botschaften als „Hilfe von der heutigen Welt empfängt“, damit „die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfasst, besser verstanden und angemessener vorgelegt werden kann“ (Gaudium et spes 44). Kann sie in kritischen, auch politisch links stehenden Initiativen wertvolle Anregungen erkennen, oder vertraut sie nur bürgerlich-konservativen Zugängen zur Politik, um ihren eigenen Einfluss zu wahren? Verwehrt sie sich entschieden genug gegen die Vereinnahmungen von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen?
Historische Konflikte erfordern Schuldbekenntnis und wertschätzenden Dialog
Die KABÖ ermutigt zum wertschätzenden Dialog zwischen Amtskirche und Sozialdemokratie, und fordert auch eine klare Stellungnahme seitens der Österreichischen Bischofskonferenz zu den historischen Konflikten. Die tragischen Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit sind ein Lehrbeispiel, wie rasch partizipative und rechtsstaatliche Grundfesten unterminiert und zerstört werden können. Es gilt heute mehr denn je wachsam zu sein und gegen jede Form von Hetze, Polarisierung und Infragestellung von demokratischen Institutionen entschieden aufzutreten – auch von Seiten der Kirchenleitung.
Angesichts der heutigen Bedrohung der Demokratie durch rechtspopulistische und rechtsextreme Bewegungen ist es wichtig, an die Geschichte zu erinnern. Die KAB in der Steiermark tut dies in einer breit gefächerten Veranstaltungsreihe, unterstützt durch renommierte Historiker:innen:
„Österreich 1933/1934 – Die Gefährdungen der Demokratie einst und jetzt“
Mit einer Vielzahl von Veranstaltungen in Graz, Leoben, Bruck/Mur und St. Lorenzen, einer Ausstellung, sowie Fortbildungsseminaren für Pädagog:innen wird die Geschichte in ihrer Bedeutung für die Zukunft vorgestellt und diskutiert.
Näheres finden Sie >>hier
Die KABÖ hat sich in ihrer Herbstbundeskonferenz 2023 und im Magazin ZeitZeichen 04/2023 mit Demokratie – Was stärkt? Was gefährdet? dem Thema gestellt. Das Zeitzeichen finden Sie >>hier
Wien, 12. Februar 2024
Die Mitglieder der KABÖ Bundesleitung:
Maga. Anna Wall-Strasser, KABÖ Bundesvorsitzende
Reinhold Grausam und Philipp Kuhlmann, stv. Vorsitzende
Karl A. Immervoll, Bundesseelsorger
Dipl.-Päd. Martin Hochegger, Vorsitzender der KAB Steiermark und Mitinitiator der Veranstaltungsreihe „Österreich 1933/1934 – Die Gefährdungen der Demokratie einst und jetzt“
Maga. Gabriele Kienesberger, KABÖ Generalsekretärin