Int. Frauen Sommerakademie in Prag
Entstehung, Zusammenhänge und Folgen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise waren der thematische Focus der diesjährigen Sommerakademie. Die rund 40 Teilnehmer/innen aus sechs europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Italien, Österreich, Schweiz und Tschechische Republik) setzten sich intensiv mit der Finanzkrise auseinander, die die europäischen Länder in sehr unterschiedlichem Ausmaß trifft. Dabei stand neben der Analyse der europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik die Auswirkungen der Krise im Mittelpunkt der Diskussionen.
Mitveranstalter der Sommerakademie waren die KAB Österreich, Schweiz und der Katholische Verband der Werktätigen Südtirols (KVW), die in einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe das Seminar vorbereitet hatten, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für Arbeitnehmerfragen (EZA) durchgeführt und finanziell unterstützt von der Europäischen Union.
Während sich die europäische Politik (im Zusammenspiel von EZB, IWF und der Europäischen Kommission) auf Rettungsmaßnahmen und Umbauprozesse in den betroffenen Ländern beschränkt, gerät der Euroraum weiter unter Druck, so die Analyse der Teilnehmer/innen: Die hohe Staatsverschuldung führe mittlerweile zu "Staatenkrisen", die die Umbauprozesse und die soziale Spaltung innerhalb Europas verschärften. Die Entfesselung der Finanz- und Kapitalmärkte und die Deregulierung der Kapitalverkehrskontrollen öffneten der Spekulation mit Staatsanleihen Tür und Tor. Dieser Zusammenhang und der Verlauf der Krise zeigten, dass diese Krise nicht zuletzt eine Folge einer verfehlten neoliberalen Politik sei, die auf Deregulierung und Liberalisierung in allen Bereichen setzt.
Durch eine Detailanalyse der Krisenstrategien einzelner europäischer Länder anhand der Entwicklungen in Frankreich, Italien, Österreich und Ungarn, wurden einzelne politische und wirtschaftliche Reaktionsmuster in den Bereichen Arbeitnehmerrechte und Lohnentwicklung, Arbeitslosigkeit, Fiskalpolitik und "Armutspolitik" aufgezeigt und durch die persönlichen Erfahrung der Teilnehmer/innen aus den einzelnen Ländern ergänzt. Die politischen Reaktionsmuster nationaler und europäischer Politik sind geprägt von massiven Eingriffen in die demokratischen Rechte der Parlamente und damit der Bürgerinnen und Bürger in Europa. Darüber waren sich die haupt- und ehrenamtlichen Bildungsverantwortlichen und Führungskräfte der christlichen Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften rasch einig. Gleichzeitig werde die Ursache der Krise als Mittel zu ihrer Überwindung proklamiert. Deregulierung und Privatisierung, der Abbau der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Flexibilisierung und die Privatisierung öffentlicher Güter werde so weiterhin vorangetrieben und die soziale Spaltung innerhalb der europäischen Staaten und zwischen ihnen verschärft und beschleunigt.
In einer Abschlussresolution, mit der in den beteiligten Ländern weiter gearbeitet werden soll, forderten die Teilnehmer/innen ein "anderes Europa" des sozialen Zusammenhalts und des sozialen Ausgleichs zu entwickelt. "Ein sozial gerechtes Europa und eine entsprechende Politik müssen die Antwort auf die Krise sein." Dabei sei die Zivilgesellschaft aus Organisationen, Netzwerken und Verbänden besonders wichtig, die politische Aktionsmöglichkeiten über nationale Grenzen hinweg entwickeln und gemeinsam konkrete Handlungsfelder und Schritte erarbeiten sollten. Konkrete Vorhaben und weiterführende Aktionsmöglichkeiten von der Wanderausstellungen über "flash mobs" bis hin zu nationalen und europäischen Befragungen und Petitionen könnten dabei gestaltend wirken.
Mechthild Hartmann-Schäfers
KAB Deutschlands
> Prager Resulution (pdf 213 KB)
Teilnehmerinnen aus Österreich:
vordere Reihe-v.l.n.r.: Zorica Dejanovic, Margarete Bliem, Christa Ellbogen, Eva Lasslesberger
hintere Reihe-v.l.n.r.: Margarete Hofstadler, Sigrid Christler, Maria Etl, Victoria Ortega