Neue Arbeitswelt: Chancen und Risiken
Wenn von der modernen Arbeitswelt die Rede ist, kann man sich zumeist auf ein Lamentieren über prekäre Arbeitsverhältnisse und Überforderung einstellen. Eine Wohltuend differenzierte Diskussion veranstalteten kürzlich die KAB Kärnten und KAV (Kath. Akademikerverband) im Klagenfurter Europahaus.
Die Eingangsdiagnose von KAB-Diözesansekretär Leo Kudlicka brachte die negativen Tendenzen auf den Punkt: Der Arbeitsdruck steige ständig. Die Erwartungen von mehr Flexibilität und der Konkurrenzdruck innerhalb der Betriebe führten zu einem allgemeinen Anstieg von Burnout und ähnlichen Erkrankungen.
Psychischer Druck
Dem stimmte der Klagenfurter Prim. Univ. Prof. Dr. Josef Marksteiner zu und ergänzte: „Psychische Störungen sind der Pensionierungsgrund Nummer eins." Da sich das die Gesellschaft auf die Dauer nicht wird leisten können, forderte er eine entsprechende Präventionsarbeit.
Diesen negativen Entwicklungen stünden massive Chancen positiv gegenüber: „Für Kreative und Innovative steigen die Chancen", sieht Kudlicka vor allem im Dienstleistungssektor ein echtes Wachstum. IT-Dienstleister oder die Kommunikationsbranche erleben derzeit einen Boom. „Wer gut kommunizieren kann, wer sich in den modernen Techniken zurechtfindet und Netzwerke aufbaut, hat heute mehr Möglichkeiten den je", lautet der Befund.
Optimismus strahlte auch Mag. Werner Sattlegger, ehemaliger Top-Manager und Berater aus. Nach dem Turbo-Kapitalismus der vergangenen zehn Jahre, in denen er einen „Trend zu Mehr und zum Übermaß" beobachtete, sieht er angesichts der Wirtschaftskrise, „dass sich immer mehr Unternehmen auf andere Werte rückbesinnen."
Diese Sinnorientierung gibt Sattlegger die Hoffnung, dass ich auch für MitarbeiterInnen die Situation am Arbeitsmarkt verbessert: „Es wird wieder möglich, seine Potenziale in der Arbeit besser zu erfüllen."
Einen Schlüssel zu dieser „erfüllten Arbeit" sieht Primar Marksteiner in einer breiteren Einbindung der MitarbeiterInnen: „Das gibt nicht nur dem/der MitarbeiterIn ein höheres Selbstwertgefühl, sondern ist auch für Unternehmen von Vorteil", weiß er aus zahlreichen Untersuchungen. Das dies allerdings gelingt hängt auch entscheidend von den Vorgesetzten ab. „Manche ManagerInnen sind zwar fachlich sehr gut, aber in der MitarbeiterInnenführung einfach zu wenig ausgebildet", sind sich Marksteiner und Sattlegger einig.
Moderator Adolf Winkler von der Kleinen Zeitung betonte, dass die alte Vorstellung vom lebenslangen Job ausgedient hat. „Projektarbeit und Praktikumsplätze sind heute die Normalarbeit." In diesem Sinne wertet er die zunehmende Zahl so genannter „Ein-Personen-Unternehmen oder Ich-AGs als positiv „Diese Firmen schaffen es, neue Felder und Berufe zu erfinden. Da tun sich viele neue Möglichkeiten auf."
Die Menschen stehen heute vor ungleich mehr Möglichkeiten. Für Marksteiner ergibt sich daraus eine „Tyrannei der Wahl": Die Menschen hätten „kaum noch Orientierung durch Werte". Wenn religiöse oder andere Werte in der Erziehung keine Rolle spielen fehlt gleichsam der notwendige Halt.
Einig war man sich am Schluss der Diskussion, dass im Mittelpunkt immer der Mensch stehen muss. Mit dem biblischen Gleichnis von den Talenten forderte Marksteiner auf, die eigenen Talente zu entfalten: Wir müssen uns gegen jede Form von Passivität wehren!"
Gerald Heschl
Der Sonntag, 31.01.2010
v.li. Kudlicka, Marksteiner, Sattlegger, Winkler
Veranstaltungsinformationen:
"Der Mensch in der neuen Arbeitswelt"
Welche Rahmenbedingungen braucht der Mensch, um mit Begeisterung und
Lebensfreude arbeiten zu können?
Donnerstag, 21. Jänner 2010,
im Europahaus der Stadt Klagenfurt am Wörthersee
Diskussion mit:
Prim. Univ. Prof. Dr. Josef Marksteiner,
Vorstand der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, LKH Klagenfurt;
Mag. Werner Sattlegger,
Koordinator des Lehrganges für Führungskräfte "Mit Sinn und Werten erfolgreich sein";
Leo Kudlicka,
Diözesanreferent im Bereich KAB/Kirche und Arbeitswelt
und Geschäftsführer des Bischöflichen Arbeitslosenfonds der Diözese Gurk;