KAB Bewegungen fordern eine Europäisierung des Sozialen
Unter dem Titel „Soziale Ungleichheit in Europa: Prekäre Arbeit und Working Poor" diskutierten Verantwortliche von Arbeitnehmerorganisationen aus Deutschland, Österreich, Belgien, Italien, Tschechien, Ungarn, Polen und der Schweiz ihre jeweiligen nationalen bzw. länderspezifischen Bedingungen unter dem Blickpunkt der „Prekarisierung von Arbeit" und der „Working poor". Sie gingen den derzeitigen Entwicklungen insbesondere zu Fragen der sozialen Ungleichheit am Beispiel verschiedener Länder in West und Osteuropa nach.
Festgestellt wurde in dem von der Europäischen Kommission geförderten Seminar, dass die Ursachen für die sich verschlechternde soziale Situation der europäischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sehr vielfältig und komplex sind. Wesentliche Treiber für diesen Negativtrend sind die anhaltend schlechte Arbeitsmarktlage, die sich durch die derzeitige Wirtschaftskrise in weiten Teilen Europas noch verstärkt durch zuwenig gute und gutbezahlte Arbeit. Weitere Ursachen sind die verfestigte Massenarbeitslosigkeit und die rasante Ausbreitung von Niedriglohnsektoren in vielen europäischen Ländern sowie die Zunahme von atypischer Arbeit, d.h. befristete Arbeit, geringfügige Beschäftigung, Teilzeitarbeit, Leiharbeit und Zeitarbeit.
In einem zweiten Teil des Seminars wurden Lösungswege, Perspektiven und Forderungen hinsichtlich einer europäischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik behandelt. Kontrovers wurde insbesondere über die Flexicurity-Strategie der Europäischen Kommission diskutiert, vorgestellt von Dr. Torsten Christen von der Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit. Insbesondere der italienischen Europaabgeordnete Dr. Sepp Kusstatscher kritisierte die seiner Meinung nach neoliberalen Ansätze der Flexicurity-Strategie und beschrieb dagegen das Modell eines auf drei Säulen gestützten Europas, dass neben der Säule -Wirtschaft- auf eine zweite -Soziales- sowie eine dritte Säule -Ökologie- aufgebaut ist. Weiterhin plädierte er für eine Entkopplung von Arbeit und Einkommen, der Einführung eines Grundeinkommens und einer Etablierung von steuerfinanzierten Systemen für soziale und ökologische Aufgaben.
Wilfried Wienen von der KAB Deutschlands stellte zum Stichwort „Europäisches Sozialmodell" einen Maßnahmen- und Forderungskatalog zur Diskussion. Darin enthalten war die Forderung nach nationaler Souveränität bei Arbeitnehmerrechten und Gewerkschaftsrechte, europaweite, existenzsichernde Mindestlöhne, eine Reform der Entsenderichtlinie und ein soziales Fortschrittsprotokoll als Ergänzung zum Lissabonvertrag. Ergänzt wurde der Katalog von einem Modell für einen sozialen Stabilitätspakt auf der Grundlage eines sogenannten Korridormodells mit sozialen Konvergenzzielen und abgestimmten Sozialleistungsquoten für die einzelnen EU-Länder.
In einem abschließendem Roundtable-Gespräch mit Dr. Michl Ebner (Mitglied des Europäischen Parlaments aus Südtirol), Alfred Ebner von der italienischen Gewerkschaft CGIL, Georg Hupfauer (Vorsitzender KAB Deutschlands), Bruno Holzhammer (Vorsitzender KAB Österreich) sowie Lidmila Nemcova von der tschechischen KAP wurde deutlich, das die nationale Zuständigkeit in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik durch gemeinsame abgestimmt Ziele und Maßnahmen in Sachen -Soziales und Ökologie- durch die 27 EU-Staaten ergänzt werden muss. „Wir brauchen eine Europäisierung des Sozialen", wurde am Ende des Seminars festgestellt, wobei, wie KAB-Vorsitzende Deutschlands Georg Hupfauer betonte, eine kontinuierliche weitere Zusammenarbeit und Ausweitung dieses europäischen Arbeitnehmer-Netzwerkes, das drei Tage intensiv beraten hatte, notwendig ist.
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