Arbeit im Wandel
Seit Erscheinen der ersten Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ vor 125 Jahren hat sich vieles zum Besseren gewendet, enorme Herausforderungen stehen allerdings an, so der Tenor bei der Festveranstaltung „Gesellschaft im Wandel. 1891-2016. 125 Jahre Soziallehre“, zu der am 2. Juni gemeinsam von der Fraktion christlicher Gewerkschafter im ÖGB, der Katholischen Arbeitnehmer/innen Bewegung Österreich und der ksoe (Kath. Sozialakademie Österreichs) eingeladen worden war.
Die „soziale Frage“ müsse auch heute im Mittelpunkt stehen, so FCG-Vorsitzender und ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl in seiner Begrüßung. Er nannte dabei die zunehmende Entkoppelung von Arbeit, Zeit und Örtlichkeit. Als Beispiel führte Schnedl „Internetplattformen“ an, auf denen verschiedene Arbeitspakete angeboten werden - bei fehlender sozialer Absicherung und Stundensätzen von beispielsweise USD 1,50 pro Stunde, was dem Tagesverdienst im Wert einer Pizza gleichkomme, so Schnedl.
Wallimann-Sasaki: Modelle des Genug
Thomas Wallimann-Sasaki, Sozial- und Wirtschaftsethiker sowie Leiter des Sozialinstituts der KAB Schweiz, skizzierte in seinem Beitrag den Wandel der Arbeitswelt von der Industrialisierung bis hin zur „Industrie 4.0“ mit Digitalisierung, „Internet der Dinge“ und dem Versprechen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Es sei kritisch zu hinterfragen, ob damit dasselbe gemeint sei wie mit dem Personalitätsprinzip in der Soziallehre.
Die „soziale Frage“ von heute sei wesentlich die der „sozialen Sicherung“ so der Sozialethiker. Als aktuelle Probleme nannte Wallimann-Sasaki außerdem die zunehmende Intensivierung der Arbeit und auch neue Formen der Kontrolle der ArbeitnehmerInnen, die neuerdings wieder feststellbare Zusammenführung von Arbeiten und Wohnen in der Entwicklung hin zu „home offices“. Auch dieser Trend sei verbunden mit dem Risiko zunehmender Kontrolle und neuen Formen der Effizienzsteigerung.
Kritisch betrachtete der Referent die derzeitigen „Wirtschafts-Philosophien“, wobei z.B. Wachstum als Naturgesetz postuliert werde. Tatsächlich handle es sich bei der Diskussion um Wirtschaftswachstum um eine Glaubensfrage. Vielmehr brauche es „Modelle des Genug“ und das Fragen nach dem Ziel von Wachstum.
Der Sozialinstituts-Leiter plädierte dafür, den Wandel so gestalten, dass es „jedem gut gehen könne“. Als Wegweiser benannte er die Prinzipien der katholischen Soziallehre und als Boden für diese Wegweiser nannte er das christliche Menschenbild. In Erinnerung zu rufen sei immer wieder, dass die Wirtschaft dem Menschen zu dienen habe und nicht umgekehrt. Das Sabbatgebot sei die Kurzformel dafür.
Holztrattner: Gutes Leben für alle
Die Leiterin der ksoe (Kath. Sozialakademie Österreichs) Magdalena Holztrattner erinnerte in ihrem Beitrag daran, dass die Soziallehre der Kirche den Blick auf das Leid von Menschen und die dahinterliegenden Verhältnisse richte, die „nicht naturgegeben“ seinen, sondern „veränderbar“. Es gehe auch heute um eine Orientierung am „guten Leben für alle Menschen“. Dabei sprechen wir über die Mehrheit der Weltbevölkerung, so Holztrattner. Diese erinnerte auch an die vielen Errungenschaften seit Veröffentlichung der ersten Sozialenzyklika: allgemeines und Frauen-Wahlrecht, Sozialstaat oder etwa die Möglichkeit, dass Frauen selbst über ihre Erwerbstätigkeit entscheiden können.
Mit der Veröffentlichung von „Laudato si´“ im Vorjahr sei der Blick einmal mehr geweitet worden, so Holztrattner. Zum Blickpunkt armer Menschen sei auch der Blick auf die „ausgebeutete Mitwelt“ gekommen. Diese jüngste Sozial- und Umweltenzyklika richte sich erstmals auch an alle Menschen und ermögliche eine neue interreligiöse Spiritualität, weil dabei zum Ausdruck komme, dass wir alle Geschwister sind und alles Leben und Sein verbunden ist. Wie überhaupt aus der ganzen Soziallehre, sei auch aus „Laudato si´“ Mut und Hoffnung zu gewinnen, dass – mit dem „Blick von unten“ - die Gestaltung eines sozial verantwortlicher Wandel möglich sei.
Als aktuelle Herausforderungen nannte die Theologin, Armutsforscherin und Pädagogin die Neudefinition von Arbeit, die auch unbezahlte Arbeit adäquat abbilden müsse, die weitreichenden Konsequenzen des nördlichen Konsummodells, die Schieflage bei der Verteilung. Insbesondere ging die Expertin auf globale Probleme ein: die mangelnde internationale Durchsetzung der Arbeitsrechte, die in verschiedenen Ländern unterbundene gewerkschaftliche Organisation, die Ausbeutung der Natur, die Verseuchung der Meere, die produzierten Bruchstellen von Produkten oder auch das gravierende Problem der Atommüllendlagerung, der unfaire Milchpreis und das derzeitige Care-System.
Holztrattner wies darauf hin, dass „dem Markt“ Grenzen durch die Politik zu setzen seien und Alternativen sichtbar gemacht und bestärkt gehören, wie z.B. Formen solidarischen Wirtschaftens. Aufgabe der Kirche müsse es sein, das „soziale Gewissen“ zu stärken, durch Bildung, Förderung demokratischer Strukturen und das Hochhalten der Hoffnung.
Hartmann-Schäfers: Menschenrecht auf Wasser
Mechthild Hartmann-Schäfers befasste sich in ihrem Input mit dem Thema Wasser, das in der Sozialenzyklika „Laudato si´“ ein eigenes Kapitel bekommen hat. Dass dem Thema Trinkwasser diese große Bedeutung eingeräumt werde, sei neu in der Soziallehre, so die Leiterin der ZASS (Stiftung „Zukunft der Arbeit und der sozialen Sicherheit“). Die globale Wasserkrise drohe sich immer mehr zuzuspitzen. Bereits heute sterben 1,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren an wasser- und sanitärbedingten Krankheiten. Es werde bereits damit gerechnet, dass 2050 die Hälfte der Weltbevölkerung unter extremer Wassernot leiden werde. Kritisch zu verfolgen sei die Tendenz des „water grabbing“ (analog zum „land grabbing“), wobei Wasser immer mehr zur Handelsware werde und immer mehr Menschen nur mehr verschmutztes Wasser bleibe.
Papst Franziskus betone hingegen, dass Wasser ein Menschenrecht sei. Hartmann-Schäfers ging in ihrem Beitrag auf die vielfältigen Problemzusammenhänge ein: auf den hohen Wasserverbrauch, der durch die industrielle (auf Fleischkonsum orientierte) landwirtschaftliche Produktion und globale Distribution von Lebensmitteln bedingt ist, auf die Wasserverschmutzung, die Verunreinigung der Weltmeere mit „Plastikinseln“ und „Plastikteppichen“, die sogar schon die Schifffahrt gefährdeten, die dramatischen Folgen der Klimaerhitzung wie das voraussichtliche endgültige Aus des „Großen Barriere-Riffs“ vor Australien.
Die Künstlerinnen der Ausstellung "Wasser ist Leben" v.l.n.r.: Anne Bölling-Ahrens, Mechthild Hartmann-Schäfers |
100 m Khukkak Beach - Assemblage - 2015 - Anne Bölling-Ahrens |
Mit dem Beitrag der ZASS-Leiterin wurde auch die Ausstellung „Wasser ist Leben“ mit Kunstwerken der Kölner Künstlerinnen Anne Bölling-Ahrens und Mechthild Hartmann-Schäfers im ÖGB-Catamaran in Wien eröffnet, die bis 13. Juni zu sehen war. Die Installationen, Drucke, Collagen und Skulpturen thematisieren unseren Umgang mit der elementaren Ressource Wasser. Die Ausstellung versteht sich in der Tradition einer politischen Kunst, die letztlich zum Handeln anregen möchte.
> Grusswort von Bischof Krautwaschl
> Arbeitsgesellschaft im Wandel | Dr. Thomas Wallimann-Sasaki
> "Die Wasserfrage lokal - global" | Dipl.Päd. Mechthild Hartmann-Schäfers