kfbö: Familienfasttag 2015
„Es hat sich viel verändert, denn heute bin ich eine neue Frau, mit neuen Kenntnissen. Eine Frau, die selber im Leben entscheiden kann – entscheiden kann, was sie mit ihrem Körper macht. Ich bin auch eine Frau, die anbauen kann. Ich habe viel Wissen erworben und das gibt mir das Gefühl, eine Frau mit großem Wert zu sein. Früher war das nicht so. Um ehrlich zu sein: Wenn ich früher jemanden mit Heft und Stift in der Tasche kommen sah, versteckte ich mich hinter der Türe, weil ich mich schämte. Ich schämte mich sogar meinen Namen zu sagen. Heute nicht mehr. Ich präsentiere mich überall, sage meinen Namen, woher ich komme, was meine Aufgaben in der Region sind. Es bereitet mir keine Sorgen mehr. Heute kann ich das alles machen“, berichtet Ivania Maritza Iría aus dem Dorf Pueblo Nuevo im Norden Nicaraguas.
© FEM | v.l.n.r.: María Teresa Merlo Olivera (Gemeinde El Rosario, baut Hibiskus, Getreide und Kaffee an), Reyna Merlo Olivera (Gemeinde El Rosario, produziert Saatgut) und Gloria María Martíne (Gemeinde El Rosario, baut Sorghumhirse, Mais und Bohnen an) |
Ivania ist Landwirtin und engagiert sich in der Frauenorganisation Fundación entre Mujeres (kurz: FEM) seit der Gründung im Jahr 1995. Von Anfang an setzte sich diese kfb-Partnerorganisation dafür ein, den Frauen Zugang zu Land, Produktionsmitteln und Einkommen zu verschaffen und sie in ihren Rechten auf Bildung und ein Leben ohne Gewalt zu stärken.
Darum eröffnet FEM in Lernzirkeln Räume, in denen die Frauen lesen und schreiben lernen, in biologischem und diversifiziertem Anbau geschult werden und über ihre Rechte als Frauen erfahren. Sie werden ermuntert, Grenzen zu setzen und die ihnen zugeteilten Rollen zu hinterfragen. Tabulos können die Frauen hier über Schwangerschaften und zahlreiche Gewalterfahrungen sprechen. Denn „ich kann noch so viele landwirtschaftliche Techniken vermitteln wollen, solange die Frauen keinen Selbstwert haben, werden sie das Gelernte nicht umsetzen. Dann wird ein Kurs abgehalten. Mehr aber nicht," erklärt Clemens Koblbauer, Projektreferent für Nicaragua bei der Aktion Familienfasttag der Katholischen Frauenbewegung Österreichs.
FEM-Frauen wie Ivania sind heute stolz darauf, dass sie, die vorher den Männern nur das Essen aufs Feld bringen durften, heute selbst am Feld arbeiten können. Sie sind in Kooperativen organisiert, in denen sie Kaffee, Gemüse, Wein, Marmelade, Brot und andere landwirtschaftliche Produkte für lokale, nationale und internationale Märkte sowie den Eigenbedarf herstellen. Ivania produziert Saatgut und erforscht, beraten von FEM, welche Samen den widrigen Auswirkungen des Klimawandels widerstehen und guten Ertrag bringen. So kämpft sie gemeinsam mit ihren „Gefährtinnen", wie sie ihre Kolleginnen liebevoll nennt, gegen den ständigen Wechsel von zu viel Regen und starker Trockenheit und gegen die Erosion der Böden.
Ivania, verwitwete Mutter von fünf Kindern, freut sich, dass es heute - 20 Jahre nach der Gründung von FEM - viele junge Frauen gibt, die bereits in den Kooperativen von FEM arbeiten oder technische Studien absolvieren, während die Erwachsenen erst jetzt die Grundschule beenden. Und dass die Jungen ihre berufliche Zukunft in den Dörfern sehen, weil die Frauen persönliche und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten haben.
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