Immer mehr Menschen haben psychische Beeinträchtigungen
Tenor der Veranstaltung: Langzeitarbeitslose Menschen mit Beeinträchtigungen haben meist mehrere Probleme, um wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden und Bildung schütze am besten vor Joblosigkeit. Dabei wurden Parallelen gezogen zum Film „Die Arbeitslosen von Marienthal“, der eine Untersuchung zu den Folgen von langandauernder Arbeitslosigkeit zeigt. Die Studie gehört zu den Klassikern der empirischen Soziologie gehört. Die Studie aus dem Jahr 1933 zeigte die sozio-psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit auf und machte deutlich, dass Langzeitarbeitslosigkeit nicht – wie vielfach angenommen – zu Revolte, sondern zu passiver Resignation führt.
Sozialminister: Hunderte Millionen Überstunden
Bundesminister Hundstorfer verwies auf eine Ambivalenz auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits gebe es den höchsten Beschäftigungsstand seit 1945, wenngleich darunter auch eine Million in Teilzeit sei, darunter wiederum die Hälfte unfreiwillig. Andererseits habe Österreich die höchste Arbeitslosenrate seit Jahren, obwohl alleine der Bund eine Milliarde Euro in diverse Projekte fließen lasse. Auf das Problem gebe es viele Antworten, aber keine Generalantwort. Was auffalle: Es sei eine impulsive, dynamische Zeit. Das Arbeitsmarktservice (AMS) habe im Vorjahr eine Million Kunden gehabt, die durchschnittliche Verweildauer beim AMS betrug 106 Tage in Niederösterreich. Österreich nehme den schwierigeren Weg als Deutschland, wo es durch Hartz IV viele Ein-Euro-Jobs gebe.
Hundstorfer berichtet, dass der Regierung gerade die Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit wichtig wären. Rund 9000 würden nach dem Pflichtschulabschluss verschwinden ohne eine weitere Ausbildung zu absolvieren oder einer Beschäftigung nachzugehen. Wer eine gute Bildung habe, sei auch eher vor Arbeitslosigkeit geschützt bzw. könne sich wieder leichter integrieren. Daher seien auch nur 2 Prozent der Akademiker auf Arbeitssuche. Es brauche etwa ein zweiprozentiges Wirtschaftswachstum, um den Jobmotor anzukurbeln, derzeit liege Österreich darunter. Was Hundstorfer aber zu bedenken gibt: Jährlich fallen über 300 Millionen Überstunden an. Könnte hier etwas verteilt werden, wirke sich das auch auf den Arbeitsmarkt aus.
Immer mehr wenden sich an Caritas
Patricia Auer von der Caritas ArbeitsAsstistenz der Diözese St. Pölten, ging vor allem auf Menschen mit Beeinträchtigungen ein. Jedes Jahr würden die Zahl jener steigen, die psychisch beeinträchtigt seien und Hilfe von der Caritas der Diözese St. Pölten erhalten. Alleine von 2012 bis 2013 wurden es um Hunderte mehr. Derzeit sind es 1.500 Personen (die Zahl umfasst alle Personen - psych. & kogn. im Bereich der beruflichen Integration). Immer mehr würden sich an die Caritas wenden, ua. weil Medien darüber berichten und weil es zwar wohl nicht mehr Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen gebe, diese Erkrankungen aber eher diagnostiziert würden. Die Caritas bietet Menschen mit psychischen Problemen oder Erkrankungen/ Lernschwäche oder kognitiver Beeinträchtigung Berufsorientierung in Hinblick auf Fähigkeiten und Arbeitsmarkt. Die Organisation hilft bei der Planung bei der Arbeitsplatzsuche, begleitet beim Berufseinstiegs und vermittelt bei Konflikten und drohendem Jobverlust. Auch wenn es gut funktionierende Projekte gebe, Auer wünscht sich mehr davon. Sie gibt zu bedenken: Je länger Menschen in Arbeitslosigkeit sind, desto mehr sinke das Selbstwertgefühl. Weiters würden sich der Tagesablauf und die sozialen Strukturen ändern, viele würden sich zurückziehen und das wirke sich auf die Gesundheit aus. Ein Lob spricht sie den Unternehmen, besonders aber den Klein- und Mittelbetrieben aus, die „oft mit viel Herz Menschen mit psychischen Problemen aufnehmen und integrieren".
Claus Ludwig von der Volkshilfe sagte, es würde meist mehrere Faktoren geben, die Menschen vom Arbeitsmarkt fernhalte. Es gehe um gesamtheitliche Integration. Wichtig sei es, sie dort abzuholen, wo sie stehen und flexibel zB Voll- oder Teilzeit anzubieten. Manche seien eben nur zu bestimmten Zeiten und Voraussetzungen vermittelbar. Den Satz „Wer arbeiten will, bekommt auch Arbeit", kann Ludwig nicht nachvollziehen, das stimme nicht. Ziel solle es sein, dass man mit dem Erwerbsleben ein gutes Leben in Würde führen könne.
KAB-Vorsitzender Josef Riegler übergibt Sozial-minister Rudolf Hundstorfer das KAB-Positionspapier "Arbeit & Leben neu denken" |
KAB übergab Positionspapier an Sozialminister
Im Anschluss an die Diskussion übergab Josef Riegler, Vorsitzender der KAB der Diözese St. Pölten, Sozialminister Hundstorfer ein neues Dokument der Arbeiterbewegung, in dem die Vision einer "nachhaltigen Tätigkeitsgesellschaft" formuliert wird. Titel des ambitionierten Schreibens ist "Arbeit und Leben neu denken".
Beschlossen wurde es bei der jüngsten "Katholische Arbeitnehmer/innen Bewegung Österreichs" (KABÖ)-Bundeskonferenz im Linzer Cardijn-Haus, inhaltlich ist es stark inspiriert vom Papst-Schreiben "Evangelii Gaudium", methodisch folgt es dem Dreischritt des legendären belgischen Kardinals und Vorkämpfers für Arbeiterrechte, Joseph Cardijn: Sehen - Urteilen - Handeln.
Mag. Wolfgang Zarl
Referat für Kommunikation der Diözese St. Pölten
v.l.n.r.: Claus Ludwig, Volkshilfe, Patricia Auer, CaritasArbeitsAssistenz, Moderator Jürgen Adelmann, Sozialminister Rudolf Hundstorfer