Love it, change it or leave it
3. Arbeit und Bibel
Dabei gibt die Bibel vieles her für eine Theologie der Arbeit. Im Alten Testament ist es zuerst der Schöpfungsbericht, der auf die Arbeit hin drei wesentliche Aussagen macht:
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Der Mensch ist als Ebenbild Gottes MitgestalterIn, MitschöpferIn für diese und in dieser Welt. Gott legt die Gestaltung der Welt in die Hände des Menschen, in Freiheit und Verantwortung. Arbeiten, Mit-Schaffen ist Urberufung und Urbestimmung des Menschen nach dem Willen Gottes (Gen 1,28 und Gen 2,15). Es entspricht seiner ureigensten Würde, durch schöpferisches, kreatives Tun die Welt zu gestalten.
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Die Symbolgeschichte des Sündenfalls beschreibt, wie der Mensch sich freiwillig dem Schutz Gottes entzogen hat.
Diese strukturelle Beziehungsstörung zwischen Gott und Menschen zeigt ihre Konsequenz in der Mühe des Gebärens und der Plage der Arbeit. Arbeit in ihrer negativen Ausprägung ist nicht als Bosheit Gottes, sondern als logische Folge verkehrten Handelns zu verstehen. Entfremdete Arbeit ist daher nicht unabänderliches, gottgewolltes Schicksal, sondern von Menschen herbeigeführte und zu verantwortende Realität, daher auch von Menschen veränderbar.
„Wenn unser Arbeitsleben von der Fluch-Tradition geprägt ist, dann müssen wir uns daran erinnern lassen, dass sinnerfülltes Arbeiten ein menschliches Ur-Bedürfnis ist und somit ein Recht der Menschen."
(D. Sölle, Den Rhythmus des Lebens spüren, Freiburg 2001) -
Der 7. Tag, der Ruhetag ist krönender Abschluss des Schöpfungswerks. Das Ruhen, Innehalten, die Muße ist damit integrierter Bestandteil des Arbeitens, gehört wesentlich dazu.
Eine zweite zentrale Botschaft ist in der Exoduserzählung, der ältesten biblischen Tradition, festgehalten.
Das Volk der Hebräer ist in der Sklavenhaft der Ägypter zum Pyramidenbau eingeteilt, eine tödliche Perspektive für viele Einzelne und für das ganze Volk (Ex 1, 11-13). Als Veränderungsversuche brutal niedergemacht werden und klar wird, dass es keine Chance auf Besserung gibt, ergeht der Auftrag Jahwes: Zieht aus, flieht, haut ab! Ein Leben in unveränderbarer Knechtschaft ist nicht im Sinne Gottes (Ex 3.7). Die Vision von einem Leben in einem freien Land mit ganz anderen ökonomischen und sozialen Regeln ist die Triebkraft für die risikoreiche Flucht. Das gelobte Land ist Inbegriff dessen, was von der Schöpfung her dem Menschen zugedacht war, „die Gesamtheit der humanen Bedingungen, in welchem ein Volk durch seine Arbeit die Teilhabe am Werk des Schöpfers verwirklicht, und gerecht und solidarisch seine eigene Geschichte gestaltet".
Diese Vision wird dann auch umgesetzt in der jüdischen Gesetzessammlung mit klarer sozialer Dimension:
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Rechtsschutz für die Schwachen durch Zinsverbot (Ex 22, 20f), gerechtem Lohn (Dtn 24, 14f), Beteiligung der Armen am Ertrag (Lev 19, 9f), u.a.
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Sozialer Ausgleich durch regelmäßige Entschuldung alle sieben Jahre (Dtn 15) und radikale Neuverteilung der Güter im Jobeljahr alle 49 Jahre (Dtn 25). Diese Gesetze beruhten auf der weisen Erkenntnis, dass, wenn man den Dingen ihren ‚natürlichen Lauf‘ lässt, den Markt also frei walten lässt, dies nicht ein System der Gleichheit und sozialen Integration, sondern wachsende Ungleichheit und Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger zur Folge hat.
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Und noch einmal der Sabbat: der Ruhetag für jeden Menschen, das Vieh und die gesamte Natur als Recht und Befreiung, und für die gesamte Gesellschaft als Unterbrechung und Einspruch gegen eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die alles aus allem herausholen will (Dtn 5, 12-15). Die Arbeit und Wirtschaft soll dem Leben dienlich sein.
Im Neuen Testament findet sich die Auseinandersetzung mit Arbeit inmitten des umfassenden ‚Projekts‘ des Reiches Gottes, das Jesus verkündet, ja mit seinem Leben bezeugt. Reich Gottes ist die zentrale Kategorie, auf die hin sich all unser Handeln richten soll: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit ..." (Mk 6,33).
Es meint einen öffentlichen, real erfahrbaren Zustand schon im Hier und Jetzt, in dem Gott sich zeigt in der konkreten Verfasstheit des Lebens, der Gemeinschaft, der Gesellschaft. Die Fülle des Lebens ist jedem Menschen zugesagt. Eine Vielzahl von Bibelstellen sprechen vom Heilen, Teilen, Befreien und Feiern, das Jesus bewirkt oder angeregt hat.
Eine provokante Stelle für die konkrete Frage nach Arbeit und Lohn ist sicher die Geschichte der Arbeiter im Weinberg, bei der alle nach ihren Bedürfnissen bezahlt werden (Mt 20, 1-16).
Können diese alten Geschichten für die Arbeitserfahrungen von Jugendlichen heute noch etwas hergeben? Drei Anregungen dazu:
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Das Grundanliegen der Menschenwürde ist gerade für Lehrlinge und junge ArbeitnehmerInnen, die sich oft ganz unten in der Gesellschaft fühlen, eine wesentliche Lebensfrage. Meine Fähigkeiten einbringen zu können, gefragt zu sein, wertgeschätzt zu sein ist die Voraussetzung dafür, meinen Platz in dieser Welt zu finden und mich - über die Rolle als KonsumentIn hinaus - am gesellschaftlichen Geschehen zu beteiligen. Joseph Cardijn hat aus dieser Überzeugung heraus vor ca. 100 Jahren die Katholische ArbeiterInnenjugend gegründet: „Jeder junge Arbeiter, jede junge Arbeiterin ist mehr wert als alles Gold der Erde".
- Schlechte Arbeitsbedingungen sind immer das Produkt menschlichen Fehlverhaltens. Diese stehen uns in unserer hochkomplexen Welt oftmals in sehr komplexer Form als Systeme, als Strukturen gegenüber. Dem ist als einzelneR schwer etwas entgegenzusetzen, und das bewirkt vielfach Ohnmacht und depressive Resignation. Hier ist Mutmachen zum Dahinterschauen gefragt, zu einer Analyse, die den Interessen nachgeht, die hinter einer konkreten Arbeitsrealität stehen und wirken. Das Durchblicken, das Benennen und Anreden der ‚unreinen Geister‘ bewirkt Befreiung. Die Grundmethode der KAJ Sehen - Urteilen - Handeln - Feiern ist ein brauchbares Instrumentarium dafür.
- Der Traum, die Vision einer guten Arbeit, einer ‚lässigen Hack'n‘ gibt Power für Veränderung. Love it, change it or leave it ... . Also: wenn du die Arbeit nicht magst, dann verändere sie. Und wenn du sie nicht verändern kannst, dann geh weg - so wie die Hebräer vor fast 3.000 Jahren, und so wie die sechszehnjährige Pauline H. zu Beginn dieses Artikels. GUTE ARBEIT ist mehr ... .
Jeder Mensch hat ein Recht darauf. Und jeder Mensch leistet GUTE ARBEIT, wenn wir uns als Gesellschaft GUTE ARBEIT im umfassenden Sinn als Grundbedingung leisten.
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