Arbeit im real existierenden Kapitalismus
Es ist nicht beliebig, wie wir mit Arbeit umgehen. Sie rührt an etwas Existentielles, an etwas Heiliges. Nun habe ich ein Bildnis der menschlichen Arbeit entworfen, dass uns allen die Herzen auf- und übergehen. Aber ich wäre ein heilloser Sozialromantiker, würde ich nicht endlich von diesem „Berg der Verklärung" herabsteigen in die Niederungen der Arbeit im real existierenden Kapitalismus. Hier ist die Arbeit beliebig, sie wird nach Marktgesetzlichkeit als Ware gehandelt, als Kostenfaktor bekämpft. Wo man sie überhaupt noch braucht, wird sie ausgepresst wie eine Zitrone und danach achtlos weggeworfen. Sie wird ihrer Würde und ihrer Rechte beraubt, wird bedrückt und gedemütigt:
Arbeit ohne gerechten Lohn,
Arbeit auf Zeit,
Arbeit ohne Anspruch auf soziale Sicherung,
Arbeit, prostituiert in Leiharbeit.
Damit schrumpft sie zusammen auf einen einzigen Sinnzusammenhang: das Arbeitseinkommen. Ihr einziger Gegenwert. Ein verzerrtes Bild.
Dass Arbeit so verludern konnte, kommt nicht von ungefähr. Es ist Wahn vom allein seligmachenden Markt. Diese Ideologie hat schon einmal, in den Anfangszeiten der Industrialisierung, ihre Unfähigkeit auf nationaler Ebene bewiesen, soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Nun kehrt dieses Gespenst, modisch aufgepeppt als Neo-Liberalismus auf die Weltbühne zurück und spielt absurdes Theater. Ausgerechnet dieses System soll nun in der Lage sein, auf globaler Ebene zu schaffen, was ihm auf nationaler misslang:
- Ausgleich,
- Beteiligung aller über Arbeit und
- Einkommen.
In Wirklichkeit haben wir sie nun, die „Marktwirtschaft ohne Attribute", den „primitiven Kapitalismus", wie der Papst ihn nennt. Es ist dieses übrig gebliebene System, das sich nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus´ selbstherrlich zum Sieger erklärte und sich dann aller lästigen Anhängsel entledigte. I
ch halte dies für einen echten Rückschlag in der Menschheitsgeschichte, eine Art Kulturschock.
Zu Beginn der Industrialisierung verfügte die Politik noch gar nicht über die Instrumentarien, die wilden Rösser des freien Marktes zu bändigen. Erst die Sozialstaatlichkeit, der „Ordo-Liberalismus" - Wettbewerb in politisch begrenztem Rahmen - hat Regularien geschaffen, um diese Rösser vor den Karren der Gesellschaft zu spannen.
Und heute? Die Politik gibt die Zügel freiwillig aus der Hand:
- Deregulierung,
- Rückzug des Staates aus der Wirtschaft
ist das Politikmodell des Neo-Liberalismus.
Die Globalisierung liefert dafür noch das gute Gewissen. Denn auf Weltebene ist angeblich niemand, der regulieren kann. Ein großer Irrtum! Das internationale Finanzkapital hat dieses Vakuum längst ausgefüllt. Die Kapitalmärkte, anonyme Mächte, sitzen nun am Steuerpult der Weltwirtschaft. Einer der größten Spekulanten, George Soros, brachte es im brasilianischen Wahlkampf auf den Punkt:
„Wählt doch, wen ihr wollt, gegen die Kapitalmacht ist ohnehin keine Politik zu machen ... ."
Eine Art Machtübernahme, die in Wirklichkeit eine Machtübergabe darstellt.
Der Neo-Liberalismus hat die zuvor herrschende Unternehmensphilosophie total verdreht: Nun wird nach den ehernen Gesetzen des „Shareholder value" gewirtschaftet. Dies bedeutet nichts anderes, als dass nur sofortige und auf Dauer anhaltende Kapitalrendite unternehmerisches und wirtschaftliches Handeln bestimmt. Der Wert eines Unternehmens schrumpft auf seinen Börsenwert zusammen. Eine Lachnummer, wie man weiß. Der Börsenwert verrät nichts über Produkte und Produktion, geschweige denn über die Arbeit der Menschen in diesen Unternehmen.
In so einem System muss die Arbeit unter die Räder kommen. Sie steht ausschließlich unter der Knute der Ökonomie. Sie wird instrumentalisiert wie noch nie. Teuere Unternehmensberatungen fegen mit eisernen Besen durch die Hallen und lassen die letzte Luft noch raus. Neue Begriffe jagen den Beschäftigten einen Schauer um den andern über den Rücken:
TQM, OE, Leitbilder, Kostensenkung, Prozessmanagement, Coaching und Steuerungsgruppen. (Inzwischen ist dieses Kauderwelsch auch in Kirchenkreisen bekannt!) Qualität, Termintreue, Projektarbeit
- alles angstbesetzte Kampfformeln, Einpeitsch-Parolen.
Nichts gegen Effizienz, nichts gegen Gewinnorientierung, nichts gegen Wettbewerbsfähigkeit. Aber diese darf niemals, so sagte es ein Papst bereits im Jahre 1931, das „alleinige Regulativ" der Wirtschaft sein. Ohne die beiden anderen Parameter, nämlich Menschlichkeit und Gerechtigkeit, geht die Rechnung nicht auf.
Die Menschen verfügen über eine lästige Eigenschaft, nämlich ständig über alles nachdenken, reflektieren zu wollen. Der Mensch ist kein Maschinenteil, er ist aus Fleisch und Blut, Geist und Gemüt.
Wo diese Not leiden, leidet auch die wirtschaftliche Effizienz.
Das ist „Miss-Management" erster Güte! Wo man in der Arbeit den Menschen nicht gerecht wird, werden sie innerlich emigrieren. Sie fühlen sich ja gar nicht mehr gemeint, sondern nur noch ihre Arbeitskraft. Zornig behalten viele Ältere, die man hinausdrückt, ihr reiches Erfahrungswissen für sich. Jüngere erbringen missmutig die Leistung, die man ihnen abverlangt, ohne innerlich engagiert und motiviert zu sein. Die eisernen Besen haben nämlich auch den letzten Rest an Zeit, Kollegialität und Menschlichkeit hinausgefegt. Das rächt sich bitterlich. Kommt schließlich noch die Angst um den Arbeitsplatz hinzu, dann frisst die sich wie Säure ins menschliche Miteinander hinein und vergiftet das Betriebsklima. Damit ist es auch um die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens geschehen.
Angst lähmt jede Kreativität, macht misstrauisch und starr.
Aus einer Angstbude werden Sie niemals ein wettbewerbsfähiges Unternehmen machen.
Inhalt
> Einleitung - Geschichte der Steinmetzen