Kann den Arbeit Sünde sein?
2. Urteilen - biblische Inspirationen
2.1. Die Arbeit ist für den Menschen da
Seit Beginn seines irdischen Lebens hat Jesus sich im Sinne der ganzen prophetischen Tradition für den Schutz der Würde jedes Menschen eingesetzt - angefangen bei den Geringsten und den, wegen des Berufs, den sie ausübten - Verachteten.
Die ersten, welche die große Freude, die Geburt des Erlösers vernahmen, waren die Hirten, die wegen der Arbeit, die sie verrichteten, als unrein galten. „So wahr es auch ist, dass der Mensch zur Arbeit bestimmt und berufen ist, so ist doch in erster Linie die Arbeit für den Menschen da und nicht der Mensch für die Arbeit."
Im Lichte des Evangeliums lassen sich folgende Beurteilungen benennen:
Arbeit muss gerecht verteilt werden
In der Tradition des Sabbat- und Jubeljahres darf die soziale Dimension nicht in Vergessenheit geraten. Im „Gnadenjahr des Herrn" ordnet Gott selbst, nach dem 25. Kapitel des dritten Mosebuches, sowohl ein Sabbatjahr (das Brachliegen der Felder alle 7 Jahre) als auch ein Jobeljahr an. In diesem Jahr (nach 7 x 7 Jahren) wurde die Gleichheit der Söhne und Töchter Israels wiederhergestellt. Schulden wurden nachgelassen, Sklaven freigelassen, Grundbesitz zurückgegeben. Diese biblische Inspiration enthält weitreichende Konsequenzen.
Zumindest die Frage nach einer gerechten Verteilung von Arbeit - zwischen Männern und Frauen, zwischen Jungen und Alten, zwischen Einheimischen und Ausländern - stellt sich dadurch immer neu.
Arbeit muss dem Leben dienen
Was verdient eigentlich, Arbeit genannt zu werden?
Diese Frage wird dann brisant, wenn man fragt, ob beispielsweise auch ein Einbrecher arbeitet. Der Volksmund sagt jedenfalls, die Einbrecher seien vornehmlich in der Nacht „an der Arbeit".
Von dem Arbeitsverständnis her, das der biblischen Tradition des Sabbat- und Jobeljahres zugrunde liegt, erweist es sich als höchst problematisch, jedwede Aktivität und Tätigkeit des Menschen als Arbeit zu bezeichnen.
Der Baseler Bischof Kurt Koch formuliert:
„Der biblischen Tradition kann nur ein Arbeitsverständnis entsprechen, das die menschliche Arbeit nicht als selbstherrlich benutztes Machtinstrument zur Unterwerfung der Menschen und zur Ausbeutung der Natur versteht, sondern als Mitarbeit in und an der Schöpfung Gottes und somit als Tätigkeit des Bewahrens und umfassender Geschwisterlichkeit und globaler Mitkreatürlichkeit."
Und die deutsche Theologin Dorothee Sölle bringt es auf den Punkt:
„Jede Arbeit, die auf Vernichtung der Lebenden, der Nachkommen, der Mitgeschöpfe und der ganzen Erde abzielt, ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar. Ein Soldat ist kein Arbeiter."
Arbeit braucht Begrenzungen
Nach der Bibel ist eine ständige Bemühung um Humanisierung der menschlichen Arbeit und der Arbeitsbedingungen notwendig, eine Befreiung von Arbeitsverhältnissen, die Menschen knechten.
Dies wird im Exodus-Bericht mit folgenden Worten angezeigt:
„Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über die Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in dem Milch und Honig fließen."
Schließlich darf nicht das ganze menschliche Leben auf die Wirtschaft hin ausgerichtet werden, sondern es muss mit einer regelmäßig wiederkehrenden Arbeitsniederlegung ein Ruhetag gesichert bleiben. Durch die Sicherung des Ruhetages hat der Mensch auch teil am 7. Tag - dem Ruhetag des Schöpfers - und wird die Arbeit befreiend begrenzt. Diesen grundmenschlichen Charakter kann die Arbeit aber nur dann zurückgewinnen, wenn das Leben des Menschen nicht nach seinem Leistungswert beurteilt wird, sondern zunächst in seinem Seinswert anerkannt und geachtet wird.
Die einseitige Ausrichtung der menschlichen Arbeit und aller menschlichen Lebensvollzüge auf wirtschaftlichen Erfolg und auf die Vermehrung von Macht und Geld zu Lasten der Erde und ihrer Menschen hat verschiedene Götzen vor Augen, nicht den biblischen Gott des Lebens!
Der Schweizer Dichterpfarrer Kurt Marti schreibt zur notwendigen Begrenzung:
„Immer mehr Arbeit entpuppt sich als Mittäterschaft an einem gigantischen Zerstörungswerk. Man wird bald froh sein müssen um jeden, der nicht mehr arbeiten will, und ihn auf Kosten der blindlings Tätigen dafür entlöhnen
> 2.2. Sozialethische Kriterien
Inhalt
1. Sehen - Hauptsache Arbeit?
2. Urteilen - Biblische Inspirationen
3. Handeln - Das Projekt "Gute Arbeit"