Interview von Karl Ebner und Kaplan Franz Sieder
Arbeitnehmerbewegung und Katholische Aktion
Highlights und Perspektiven
Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) ist eine Bewegung in der Arbeiterpastoral, die sich seit ihrem Beginn 1955 nicht nur gehalten, sondern viele Initiativen gesetzt hat, die zum Teil zeitbedingt waren, viele aber bis heute nachhaltig wirken. In all den Jahren sind die Grundhaltung und Methoden gleich geblieben. Sie prägen bis heute und auch künftig das Engagement und die Arbeit.
Am Anfang standen Katholische Arbeiterjugend und Mariazell
Karl Ebner von der KAB Amstetten war von Anfang an mit dabei.
Er war bereits vorher in der KAJ aktiv, die man als Basis und Impulsgeber für die KAB bezeichnen kann. Außerdem hat die KAB Amstetten – gemeinsam mit der dortigen Betriebsseelsorge – die Arbeiterpastoral in diesem Bereich wesentlich geprägt und vor allem zum Abbau von gegenseitigen Vorurteilen und Angst zwischen Kirche und Parteien beigetragen.
Karl Ebner, von Anfang an im Vorstand, langjähriger und mehrmaliger Vorsitzender der KAB (1963 bis 1976 und 1981 bis 1986) und Österreich-Vorsitzender 1985 bis 1991. Sechs Jahrzehnte Leiter bzw. im Leitungsteam der KAB der Pfarre St. Stephan Amstetten.
„Es ist mir wichtig, die Geschichte der KAB von ihrem Anfang her zu sehen“, sagt Ebner. „Alle aus unserer bereits bestehenden Arbeitnehmerrunde wollten damals – es war in den 60-er Jahren – eine eigenständige Arbeitnehmerbewegung machen. Wir waren damals eine reine Männerbewegung“, erläutert er. Die ersten KA- und KMB-Sekretäre hatten damals die KAB mitbetreut. Es gab die Sonderkonstruktion einer „Katholische Aktion der Männer“, kurz „KAdM“ genannt.
„Wir wollten eigenständig sein, weil uns die Nähe der Männerbewegung zur Volkspartei zu eng war“, weist er hin. In der Arbeiterbewegung gab es bereits Männer, die aus einem anderen politischen Lager, nämlich der Sozialdemokratie kamen. „Wir wollten Brücken bauen und uns nicht von einer Partei vereinnahmen lassen“. Dieses Selbstbewusstsein sei schon 1961 stark ausgeprägt gewesen und stammte von den ehemaligen KAJ-isten, weist Ebner hin. Wesentlich für die Entwicklung der gesamten KAB sei die große Wallfahrt der KAJ im Jahr 1954 nach Mariazell gewesen. In Mariazell hatte die KAJ gelobt, für die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang zu beten, wobei St. Pölten die Patenschaft für die Tschechoslowakei übernommen hatte. Als Zeichen wurde ein neunarmiger Leuchter aufgestellt. Seine Kerzen sollten erst entzündet werden, wenn diese Länder die Freiheit von der kommunistischen Herrschaft erlangen. sind. Dieses Versprechen löste dann die KAB bei der großen Dankwallfahrt 1990 ein. Viele ihrer Mitglieder haben das einstige KAJ-Anliegen von Mariazell jahrzehntelang mitgetragen, bestätigt Ebner.
Verankert in der Pfarre
Eine Studientagung im Jahr 1962 unter dem Thema „Pfarre – Basis unserer Aktivität“ zeigte auf, so der damalige Vorsitzende Ebner, dass „gerade die pfarrliche Arbeit für uns sehr wichtig war“. Das zweite Standbein der KAB-Arbeit sei bereits 1962 aufgeschienen: ein „religiöses Wochenende für Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre“. Damals sei dies noch auf eine Partei beschränkt gewesen, denn Mitglieder der sozialistischen Gewerkschaft kamen erst später hinzu, weist Ebner hin. Als „sehr hilfreich“ bezeichnet Ebner die 1963 in St. Pölten stattgefundene „Sozial- und Apostolatsschule, mit ausgezeichneten Referenten. Es sei gleichsam ein „KSÖ-Kurs im Schnellsiedeverfahren“ gewesen, der dennoch „eine solide Basis für unsere Arbeit war und sich für die folgenden Jahre sehr nachhaltig ausgewirkt hat“. Bei einem Studientag in St. Pölten gab es 1969 weitere Änderungen, so Ebner: Die KAB habe sich von einer reinen Arbeiterbewegung zu einer Arbeitnehmerbewegung umbenannt und fix beschlossen, auch Frauen zur Mitarbeit einzuladen. „Traude Zimmermann, Poldi Unterberger, Berta Urban kamen dann in den Diözesanausschuss“, berichtet Ebner. 1971 gab es eine Enquete zum Thema „Gewerkschaft und Kirche“. „Dafür haben wir nachher einige Schelte bekommen“, erinnert sich Ebner. „Wir sind kritisiert worden, dass wir uns mit anderen Parteien zusammengesetzt haben.“ Auf Österreichebene kündigte sich durch Kardinal König und Bruno Kreisky bereits eine Entspannung im Verhältnis von Kirche und Sozialdemokratie an. „Unsere Mitglieder“, so Ebner, „hatten die Kontakte zu Sozialdemokraten in den Betrieben bereits geknüpft. Diese Gespräche waren aber eine zusätzliche Hilfe“. Zu erwähnen sei dabei auch der Bundessekretär der KAB Österreich, Leopold Summerauer, der sich sehr aktiv für diese Entspannung eingesetzt habe.
Arbeiterpastoral auf zwei „Standbeinen“
„Für die Diözesansynode 1972 haben wir uns sehr gut vorbereitet und an vielen Papieren mitgearbeitet“, weist Karl Ebner hin. Auch nach der Synode, bei der die Beschlüsse des Konzils für die Diözese umgesetzt werden sollten, habe die KAB immer wieder deren Umsetzung urgiert, etwa die Errichtung einer Betriebsseelsorge in fünf Schwerpunktregionen der Diözese. Die Betriebsseelsorge selbst wurde damals vehement von jungen Priestern gefordert, unter ihnen Stefan Veigl, Franz Sieder und Toni Schadenhofer. „Dabei sei auch eine gute Zusammenarbeit in der Arbeiterseelsorge entstanden“, weist Ebner hin. „Die Aufgaben sind zwar verschieden, doch haben wir das gleiche Ziel. Die KAB agiert auf pfarrlicher Ebene, die Betriebsseelsorge ist hingegen auf den Betrieb selbst ausgerichtet.“ Ebenfalls um diese Zeit, 1972, so Ebner, erarbeitete die KAB mit der Vereinigung Christlicher Unternehmer (VCU) ein Mitbestimmungsmodell für Betriebe. Diesem vorangegangen war eine Fachtagung im Karl Kummer-Institut in Wien, wo das Thema „Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb“ behandelt wurde, an der eine Gruppe der KAB St. Pölten teilgenommen hat. In Zusammenarbeit wurde mit den Unternehmern ein gemeinsames Papier über die Mitbestimmung in Betrieben verabschiedet, das, so Ebner, in einigen Betrieben auch seinen Niederschlag gefunden habe und teilweise umgesetzt wurde. Allerdings, so Ebner, „wurde von den Gewerkschaften mehr die überbetriebliche Mitbestimmung betont, weil sie eine stärkere Verhandlungsposition beinhalte, während wir die betriebliche Mitbestimmung befürworteten - zwar nicht als Machtfaktor bei Verhandlungen, sondern weil sie der Würde des Menschen eher entspricht.“
Markant in Erinnerung …
Markant blieben Ebner die Jahr 1973/74 in Erinnerung, als bedingt durch Auffassungsverschiede in der Leitung Betriebsseelsorger Franz Sieder zum Geistlichen Assistenten ernannt wurde. Markant in Erinnerung blieb auch der Katholikentag 1983 in Wien und besonders das Treffen der Arbeitnehmer und Gastarbeiter mit Papst Johannes Paul II. am Hof. „Damals hat man noch eine große Begeisterung gespürt, die später dann nachgelassen hat“, erinnert sich Ebner. Ein Studientag im Jahr 1986 befasste sich mit der Spiritualität der KAB und hob vor allem die Einheit von Glaube und Leben hervor, was Joseph Cardijn „das fünfte Evangelium“ bezeichnete. Insgesamt, meint Karl Ebner, stand in der Bewegung der KAB die „Gemeinschaft im Glauben“ im Vordergrund wie auch der „missionarische Gedanke“, der heute etwas anders gesehen werde als damals: der Christ soll in seinem Tun und Handeln selbst ein Zeichen für Christus sein. Auch die KAB-Reisen, so Ebner, hatten stets „spirituellen Charakter, oft von großen Tiefgängen.“ „Wichtig war uns, dass wir bei allem Tun jene Arbeiterbewegung geblieben sind, die immer wieder die Probleme der Arbeitswelt angesprochen hat und dass wir gemeinsam mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer etwas bewirken konnten. Wir haben damals bereits die politischen Gräben übersprungen“, zeigt sich Karl Ebner auch für die Zukunft zuversichtlich. Allerdings, so räumt er ein, müsse man sich immer wieder rechtfertigen, „dass wir eh noch katholisch sind und andererseits nicht nur das Soziale sehen. Was wir wollen ist, Glaube und Leben miteinander zu verbinden“.
KAB und Betriebsseelsorge – eine Einheit
Diese intensive Zusammenarbeit von Betriebsseelsorge und KAB in Amstetten bestätigt auch Franz Sieder, der seit 1976 die Betriebsseelsorge leitet. „Wir von der Betriebsseesorge haben immer im Rahmen der Bewegungen von KAJ und KAB agiert“, bestätigt der ehemalige KAJ-Seelsorger. Die Betriebsseelsorge, so untermauert er, musste damals hart erkämpft werden. Sie habe aber „einen wesentlichen Schub“ in die diözesane Arbeiterpastoral gebracht. „Meine verschiedenen Runden“, so Sieder, „waren immer auch KAB-Runden, wenn sie sich auch nicht immer so genannt haben“. Es gab betriebliche Runden, Eisenbahnerrunden, Jugendrunden, Krankenschwesternrunden und auch Runden mit geschiedenen Frauen. Seine Methode war die „Revision de vie“, die Sieder bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in Frankreich bei der französischen KAB kennengelernt hatte: jeder und jede Teilnehmer:in bringt das ein, was jeden im konkreten Leben bewegt – ganz nach dem Prinzip Cardijns: Sehen – urteilen – handeln. „Ich habe die Arbeit der KAB und der Betriebsseelsorge als eine Einheit in der Arbeiterseelsorge gesehen. Wir haben immer zusammengearbeitet“, bestätigt er.
Über Parteigrenzen hinweg – Sommerakademie Gaming
Ebenso wichtig, auch für die KAB, sieht Sieder die Zusammenarbeit mit der ACUS, der Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialismus. „Nach den ersten gemeinsamen Veranstaltungen von KAB, Betriebsseelsorge und ACUS wurden die weiteren von oben her leider untersagt“, bedauert er. Gemeinsame Veranstaltungen gab es weiterhin, doch schienen KAB und Betriebsseelsorge nicht mehr als Mitveranstalter auf Sieder betont: „Es gibt keine Versöhnung zwischen Kirche und Arbeitswelt, wenn es nicht auch eine Versöhnung zwischen Kirche und Sozialdemokratie gibt, weil die geistige Heimat des Arbeiters weithin auch die Sozialdemokratie ist.“ Auch Karl Ebner bestätigt die weithin gute Zusammenarbeit, die im Bewusstsein vieler aber erst wachsen musste.
Die „Sommerakademie Gaming“, ein gemeinsamer Studientag von KAB, Betriebsseelsorge, Arbeiterkammer und Gewerkschaft wurde 1995 ins Leben gerufen und wird seitdem jährlich mit großem Erfolg durchgeführt. „Wir bringen unsere theologische Sicht in Bezug auf die Arbeitswelt ein und jene ihre Erfahrungen. Es geht immer um die aktuelle Situation von Kirche und Arbeitswelt und um die katholische Soziallehre“, weist Franz Sieder hin. Karl Ebner erinnert sich, als er einmal über die päpstlichen Sozialenzykliken referierte: „Alle waren so gespannt, dass man selbst eine Stecknadel hätte fallen hören. Und nach dem Vortrag sagte mir ein Teilnehmer: Wir wären froh, wenn so etwas auch in unserem Parteiprogramm stehen würde“.
Diese Pastoral mit Arbeitern, so Sieder und Ebner, sei nicht über die Pfarren möglich. „Man braucht dazu Bewegungen und eine milieuspezifische Pastoral, die zu den Menschen geht“. Geschehe dies nicht, werde die gesamte Arbeitswelt ausgesperrt. Das Reich Gottes müsse, wie es auch Joseph Cardijn sagte, „in die Fabriken, die Werkstätten, die Büros und in die Familien und Häuser kommen.“