07.03.2025_PA: „Grundeinkommensdebatte: Neues Buch thematisiert Positionen und Widersprüche“
„Modelle und Widersprüche der Grundeinkommensdebatte“ thematisiert ein neues Buch, das am Donnerstagabend, 6. März, in Wien präsentiert worden ist. Einer der Autoren, Karl A. Immervoll, plädierte dabei mit Nachdruck für eine Änderung im Umgang mit arbeitslosen Menschen in Österreich. Die gegenwärtig 430.000 offiziell registrierten Erwerbsarbeitssuchenden stehen zwar einer großen Anzahl von offenen Stellen gegenüber, seien aber nicht immer eins zu eins in diese Stellen „einzupassen“. Im EU-Instrument „Reallabor“, das bereits in vielen Ländern eingesetzt wird, sieht Immervoll eine geeignete Möglichkeit, besser auf die Fähigkeiten der Arbeitssuchenden einzugehen. „Es braucht den Willen und den Mut zum Experimentieren. Die Enge der Förderrichtlinien lässt oft weder für Arbeitgeber:innen noch für Arbeitnehmer:innen den nötigen Spielraum. Hier braucht es den politischen Willen, Experimente wie etwa das Reallabor zuzulassen“, so Immervoll.
Immervoll, Bundesseelsorger der Katholischen Arbeitnehmer:innenbewegung Österreich (KABÖ) und ehemals Betriebsseelsorger im Waldviertel, arbeitete 40 Jahre mit Erwerbsarbeitslosen, vor allem in der Zeit der großen Betriebsschließungen. Er initiierte ein erfolgreiches Grundeinkommensprojekt in Heidenreichstein, bei dem langzeitarbeitslose Menschen ermutigt wurden, sich selbst nach ihren eigenen Fähigkeiten zu fragen, diese weiter zu entwickeln und in die Gesellschaft einzubringen. Er ist zusammen mit dem Salzburger Soziologen und Politikwissenschaftler Nikolaus Dimmel Herausgeber der Reihe „Bedingungsloses Grundeinkommen in der Debatte“.
Gleichheitsfähigkeit einer Gesellschaft fördern
Autor:innen des nun präsentierten Band 3 der Reihe sind neben Immervoll die Theologin, Sozialethikerin und Geschäftsführerin des Frauen- und Sozialreferats von Kolping Österreich, Magdalena Holztrattner, die Politologin Margit Appel und der IT-Techniker und Gewerkschafter Franz Schäfer. Holztrattner und Appel beleuchten dabei das Bedingungslose Grundeinkommen aus der Perspektive der Katholischen Soziallehre und heben hervor, dass ein solches Einkommen die Gleichheitsfähigkeit einer Gesellschaft fördern würde. So könnte das Grundeinkommen die bestehende Koppelung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller (Menschen-)Rechte mit dem Besitz eines Erwerbsarbeitsplatzes auflösen. Die vorrangige Option für die Armen als wesentliches sozialethisches Prinzip gewänne damit an Bedeutung. Menschen könnten sich entscheiden, eine Erwerbsarbeit unter menschlich, sozial oder ökologisch bedenklichen Bedingungen abzulehnen, zu beenden oder zu reduzieren, ohne in Existenznöte zu gelangen.
Spielraum für nötige Transformationen
Schäfer geht in seinem Buchbeitrag der Frage nach, warum Gewerkschaften der Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen meist skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Ein Aspekt möge wohl sein, dass der Arbeitsbegriff sehr eng definiert und unter Arbeit ausschließlich Erwerbsarbeit/Lohnarbeit gesehen wird. Übersehen werde dabei, dass viel Arbeit unbezahlt erledigt wird, ob freiwillig oder nicht. Er sehe nicht die oft beschworene Gefahr, dass mit Bezug eines Grundeinkommens niemand mehr (erwerbs)arbeiten würde, unterstreicht Schäfer. Die große Zahl der freiwillig Engagierten zeige, dass Menschen dort, wo sie sich sinnvoll einbringen können, gerne ihren Beitrag leisten.
Der IT-Techniker sieht in den kommenden Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Klimakatastrophen und eine grundlegende Transformation des gegenwärtigen Wirtschaftssystems die Notwendigkeit eines Grundeinkommens, denn es schaffe den sozialen Spielraum für diese Transformationen. Wenn die Grundeinkommensdebatte stets die grundsätzliche Frage nach dem Menschenbild im Blick behält und auf die Kompatibilität des Grundeinkommens mit dem bestehenden sozialen Sicherungssystem achtet, könne sie „die notwendigen Transformationen in den sozialen und ökologischen Systemen menschenfreundlich mitgestalten“, so Schäfer.
Nachhaltigkeit und rechtliche Fragen
Immervoll kündigte gemeinsam mit Nikolaus Dimmel zwei weitere Bände der Reihe an. Band 4 soll „Bedingungsloses Grundeinkommen und Nachhaltigkeit“ thematisieren. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit werde darin auch die soziale Nachhaltigkeit betrachtet werden; letztere sei von volkswirtschaftlicher Bedeutung - Stichwort soziale Gesundheit -, aber auch die Stärkung des sozialen Friedens gehe damit einher. Band 5 wird rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Bedingungsloses Grundeinkommen nachgehen. Auf Österreich bezogen werde es u.a. stark um den Föderalismus in der Sozialgesetzgebung gehen. „Es wird um Annäherungsmodelle an das Bedingungslose Grundeinkommen gehen und welche gesetzlichen Änderungen dazu notwendig sind“, so die Ankündigung. Alle Bände der Reihe erscheinen in der pro mente edition.
Die Präsentation des Bandes 3 „Modelle und Widersprüche der Grundeinkommensdebatte. Perspektiven der Transformation sozialer Sicherung“ war eine Kooperationsveranstaltung von KABÖ und FAKTory. Die an die Buchvorstellung durch die Autor:innen anschließende lebhafte Auseinandersetzung mit dem zahlreich erschienenen Publikum habe gezeigt, „dass Umsetzungsschritte in Richtung Grundeinkommen die konkreten Mühen von Gesetzesänderungen brauchen, die es aber allemal wert sind, angegangen zu werden“, so die KABÖ.
Weiterführende Links:
Reallabor Waldviertel
Rückfragen:
Maga. Gabriele Kienesberger
Generalsekretärin
KABÖ Kath. Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich
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